Engpässe beseitigen – Durchsatz erhöhen
Die von ihrem Entwickler Eliyahu M. Goldratt in den 1980er-Jahren aus der Praxis abgeleitete TOC beschreibt die Identifizierung und den Umgang mit einem solchen Engpass, um durch Optimierung der Vorgänge an dieser Stelle den Durchsatz – also die Leistungsfähigkeit und damit die Produktivität – zu erhöhen und, im Sinne des Lean-Ansatzes, die Verschwendung von Ressourcen (-> Muda) zu vermeiden. Die dahinterstehende Idee reicht weiter: Durch diese punktuelle Verbesserung wird im Gesamtsystem an anderer Stelle ein Systemglied neu zum limitierenden Faktor und damit zum Engpass. Hier sollte die Verbesserung im nächsten Schritt ansetzen, um so sukzessive Flaschenhälse im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (-> KVP, -> Kaizen) zu identifizieren und zu beseitigen.
Aus praktischer Sicht sei darauf hingewiesen, dass Einzelmaßnahmen an jeweils einer Stelle der Kette nicht ausreichen – auch, da es sich oftmals um vernetzte Systeme handelt und nicht generell um lineare Abhängigkeiten. Eine nachhaltige Erhöhung des Durchsatzes kann nur erreicht werden und hat nur Bestand, wenn das Gesamtsystem – unter Berücksichtigung der Interdependenzen zwischen den Systembestandteilen – optimiert wird.
Der Siegeszug des Konzepts
Auf Basis der Theory of Constraints sind viele Ansätze zur Prozessoptimierung entstanden. Von den Anfängen in der Produktion hat sich die TOC über die Supply Chain in den Vertrieb und den Handel verbreitet und schließlich das Marketing und die Administration sowie das Management, insbesondere das Projektmanagement (-> Critical-Chain-Projektmanagement), beeinflusst. Hieraus lässt sich auch der Lean-Gedanke ableiten: Statt eines oft überforderten Entscheiders wird die Verantwortung über flache „Lean“-Hierarchien verteilt, um den Engpass „Entscheidungsträger“ zu beseitigen.
In betriebswirtschaftlichen Bereichen wie Finanzen und Controlling hat sich das Konzept zumindest in Deutschland nicht durchgesetzt, da die Begrifflichkeiten und Standards sich nicht zwanglos auf das streng reglementierte interne Rechnungswesen übertragen lassen.
Der Grundprozess: „POOGI“
Der Grundprozess der TOC bezieht sich ausschließlich auf die Engpässe. Er besteht aus fünf Schritten, die aufeinander aufbauen und als Zyklus zu sehen sind. Goldratt nannte diese Abfolge „Process Of On-Going Improvement“ und hat sie mit dem Akronym „POOGI“ abgekürzt.
Folgende Aufgaben sind in den einzelnen Prozessschritten zu lösen:
- „Identify the constraint“: Identifiziere den Engpass
Der limitierende Faktor ist Prozessbeteiligten oftmals bekannt. Wenn nicht, kann er z. B. durch Prozessbeobachtung, Messungen oder die Analyse von Kennzahlen identifiziert werden. Typischerweise handelt es sich um die Maschine mit dem geringsten Durchsatz, erkennbar an den meisten offenen Aufträgen, dem größten eingangsseitigen Materialstau oder den höchsten Stillstands- oder Wartezeiten, die Abteilung mit den größten Rückständen bei der Aufgabenbearbeitung, das Team mit der geringsten Kapazität, einen zu akribischen Sachbearbeiter, einen überforderten Entscheider oder eine strikt hierarchisch ausgelegte Organisationskultur. - „Exploit the constraint“: Nutze (oder laste) den Engpass maximal aus
Besteht ein Engpass, sollte dessen Kapazität maximal ausgelastet werden, um keine unnötigen Einbußen der Produktivität hinnehmen zu müssen. Bei Maschinen und Anlagen sind Stillstands-, Warte- und Rüstzeiten zu minimieren, die Verfügbarkeit sollte durch optimierte Wartungs- und Instandhaltungszyklen und -maßnahmen verbessert werden (-> Total Productive Maintenance, TPM; -> Single Minute Exchange of Die, SMED; Quick Change Over). Zudem sollten alle Aufgaben, die nicht unbedingt an diesem Flaschenhals bearbeitet werden müssen, an andere Stelle verlagert werden, um die Engpass-Kapazität zu erhöhen. - „Subordinate everything else to the constraint“: Ordne alles andere dem Engpass unter – richte alles auf den Engpass aus
Damit der Engpass-Prozess auch ohne weiteren Input eine Zeit lang weiterlaufen kann, müssen immer Puffer vorhanden sein. Der Material-, Personal- und Ressourceneinsatz ist also so zu planen, dass der Flaschenhals unter Berücksichtigung seiner tatsächlichen Kapazität immer optimal versorgt wird. Trotz der Verschwendung, die nach dem Lean-Ansatz durch „Überproduktion“ in vorgelagerten Bereichen und Vorhaltung von Ressourcen entsteht, steigt die Leistungsfähigkeit und damit die Effizienz und Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems. - „Elevate the constraint“: Verbreitere den Engpass – erhöhe die Menge der Ressource, die den Engpass verursacht
Arbeiten Maschinen und/oder Personal „am Limit“, also an der Auslastungsgrenze, kann eine Ausweitung oder Verlagerung der Kapazität die Lösung sein. Neue Kapazitäten können inhouse durch Investitionen geschaffen werden – in mehr gleiche oder neue, leistungsfähigere Maschinen – oder durch Verstärkung des Personals durch Erweiterung des Engpass-Teams oder die Aufstockung bei Einführung von Schichtarbeit. Aufgaben und Arbeiten können aber auch an Dienstleister outgesourct oder eingekauft werden, um die eigenen Kapazitäten zu entlasten. Da die Maßnahmen in dieser Phase teuer sein können und finanziert werden müssen, sollten vorher alle Potenziale der Phasen 2 und 3 ausgeschöpft werden. - „Go back to Step One“: Gehe zurück zu Schritt eins – und identifiziere den nächsten Engpass
Sind alle Maßnahmen durchgeführt, sollten sie auf ihr Ergebnis hin geprüft und evaluiert werden. Die Nachhaltigkeit lässt sich anhand der Leistungskennzahlen des Gesamtprozesses und der Einzelprozesse kontinuierlich überwachen. Dabei wird dann sichtbar, wo sich der neue Engpass befindet und der nächste Verbesserungszyklus starten muss.
Methoden
Zur Identifizierung von Engpässen erfolgt eine Prozessanalyse entlang des Wertstroms. Dabei können grundsätzlich Standardmethoden eingesetzt werden. Dazu zählen beispielsweise Zeitaufnahmen – also die Bestimmung von Maschinenlauf- und Stillstandszeiten oder Arbeits-, Takt- und Durchlaufzeiten –, die Messung von Anlagenparametern und/oder Beständen sowie die zahlenmäßige Erfassung der beteiligten Beschäftigten. Die ermittelten Leistungskennzahlen (Key Performance Indicators, KPIs) werden dann in Kennzahlensystemen ausgewertet.
Zudem wurden spezielle Werkzeuge entwickelt, „Denkprozesse“ genannt, die als Analyse- und Kreativitätstechniken dazu beitragen sollen, Denkblockaden aufzulösen, Annahmen transparent zu machen und neuartige Lösungen zu entwickeln. Zu diesen Methoden der TOC zählt der sogenannte „Logikbaum“, der aus dem -> Ishikawa-Diagramm und dem Multiple-Cause-Diagramm und der Funktions- oder Objektmodellierung abgeleitet wurde. Im Wesentlichen sind es drei Logikbäume:
- Der Gegenwartsbaum („Current Reality Tree“) ist die Darstellung des Ist-Zustands. Er kann ergänzt werden um die Konflikt- oder Dilemma-Wolke („Conflict Resolution Diagram), mit der gegenläufige oder sich einander ausschließende Zielstellungen grafisch dargestellt werden.
- Der Zukunftsbaum („Future Reality Tree“) bildet den zukünftigen Soll-Zustand ab. Er kann „negative Zweige“ („Negative Branches“) aufweisen, die für Vorbehalte und unerwünschte Nebenwirkungen stehen.
- Der Umsetzungsbaum („Transition Tree“) zeigt auf, welche Maßnahmen warum in welcher Reihenfolge getroffen werden müssen, um das Ziel zu erreichen. Ihm vorgeschaltet werden kann der Voraussetzungsbaum („Prerequisite Tree“), der angibt, welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen.
Fazit
Die Theory of Constraints ist ein Ansatz zur Prozessoptimierung, insbesondere in den Bereichen Fertigungssteuerung und Logistik. Im Gegensatz zu anderen Strategien oder Methoden wie beispielsweise der Lean-Philosophie oder Six Sigma ist die TOC jedoch klar auf den jeweiligen Engpass in einer Wertschöpfungskette, den limitierenden Faktor bei der Wertschöpfung, fokussiert. Die sukzessive Verbesserung von Einzelprozessen, die einen Flaschenhals darstellen, soll zu einer nachhaltigen Erhöhung des Durchsatzes führen und damit die Effizienz der Leistungserbringung steigern. Dazu kann es nötig sein, beispielsweise bei vorgelagerten Abläufen Verschwendung wie Überproduktion oder Bevorratung zuzulassen, um eine maximale Auslastung des begrenzenden Arbeitsgangs zu erreichen. Nicht die Optimierung jedes einzelnen Prozessschritts steht also im Vordergrund, sondern die Optimierung des Gesamtprozesses.